... eine Woche vor Beginn einer großen Messe in Berlin inserierte ein Personaldienstleister im Internet, weitere Kräfte für jenes Messeevent zu benötigen.
Passend zu meiner weiteren Auftragslage bewarb ich mich dort und verwies auf meine Besonderheit als "Jobtesterin".
Es kam dann sogar zu einem Vorstellungsgespräch, bzw. zu einer Einladung dazu. Man verlegte sogar wegen meiner Termine den Kennenlerntermin um eine Stunde nach vorn in ein mir günstigeres Zeitfenster. Doch man hatte dort nicht nur Angst vor einer Absage großer Events wegen Corona, sondern auch vor dem Risiko "Jobtesterin".
Ich erschien pünktlich, traf aber leider die entsprechende Personalerin nicht an, die mit mir einen Termin vereinbart hatte.
Ich stellte mich auf etwas Wartezeit ein, als mich die leicht irritierte Kollegin ggf. sogar mit einer leitenden Funktion, an einen Tisch schickte, der einige Meter neben ihrem Arbeitsbereich stand.
Während sie weiter am Computer tippte und ihren Aufgaben nachging, begann sie aber sofort das Gespräch mit mir.
Ich fand das an sich weder unhöflich noch sonstwie negativ, eher praktisch und dieses Vorgehen könnte auch von mir sein.
Schon nach wenigen wortwechseln zeichnete sich ab, dass ein Vertrag auf freiberuflicher Basis oder gewerblicher Selbständigkeit mit mir bzw. generell nicht vorgesehen sei - entgegen jedoch der Vorannahme der Personalerin räumte ich ein, ggf. einen kurzzeitigen Arbeitsvertrag, z.B. auf Lohnsteuerklasse 6, abschließen zu können. Schließlich wollte ich die Tätigkeit sehr gern kennenlernen und mich durch konstruktives Feedback einbringen.
Ich wurde jedoch zunehmend im Verlauf des Gespräches als "Risiko" eingestuft, also dass es in einer angespannten Lage, wo alles zu funktionieren habe und keine Fragen gestellt werden dürften, mich zu schicken ähnlich sei wie Öl ins Feuer zu kippen.
Nun, insistierte ich, wenn doch immer alles glatt läuft und korrekt zugeht, was gibt es zu befürchten? ich mache den job dann einfach und gut... Mitteilung/Feedback kann an die Personalfirma selber ergehen, muss nicht unmittelbar an den "Kunden", der der Personal bucht - zumindest nicht "entanonymisiert".
Die Personalerin meinte: heute kann im Internet jeder alles schreiben, aber ich bin da kein Fan von.
Sie schnitt unter anderem auch die Notwendigkeit an, bestimmte Verträge vor Ort zu unterzeichnen beim "Kunden" bzw. für jeden Einsatzort eine extra bürokratie zu haben.
Die Art, wie und was sie da sagte, verwirrte mich mehr als dass es klärte, weswegen ich nachfragte und daraufhin ablehnung erhielt, das sei alles Arbeitsrecht, das müsse sie mir nicht erklären.
Ich sagte, ich wolle mir das nur vorstellen und eigentlich ergründen, wo die Hürden lägen, damit man das ggf. verbessern und den Zugang zu solchen Jobs für leute wie mich ggf. erleichtern oder überhaupt öffnen könne.
Die Personalerin deutete mehrfach bei jedem Einwand ihrerseits bevor sie meine Lösungsideen vernommen hatte, an, dass "wir wohl nicht zusammenkommen würden", während ich immer wieder versuchte ihre Bedenken aus dem Weg zu räumen bzw. Lösungen zu finden. Das empfand sie als "politisches Grundsatzgespräch", was wohl wenn ich schon bei ihr dieses führe, weitaus schlimmer bei den Kunden zu erwarten sei, so die Begründung ihrer Ängste.
Dass sie mich nicht wollte war mir schon lange hoch wahrscheinlich - aber was würde ich gewinnen, wenn ich jetzt ginge statt zu versuchen aufzuklären, was genau sie an einer Zusammenarbeit mit mir hinderlich fände? Würde sie das als "einvernehmliche Geste" deuten und mir DESWEGEN zutrauen, dass ich auch für "ihre Kunden" tauge? Eben, das wohl eher nicht.
Also berichtete ich von Jobtestaktionen seitens TV-Sendern und Stiftungen.
Ich wollte ihr die geäußerte sorge nehmen, dass belastende und nervige Interviews zu unpassender Zeit den Ablauf sprengen würden.
Also sprach ich sie auch ganz aktiv auf ihren Umgang mit Bewerbungen über das Jobcenter an. Das könne ja auch mal von mir aus passieren, dass das JC mich hinschickt - ich also kommen müsse und nicht wie heute absolut freiwillig und wirklich am Theme interessiert hingehen würde.
Sie erklärte dann ziemlich offenherzig, seit langem keine Kooperation mit den Jobcenter einzugehen.
Die Leute hätten ihren Zettel ausgefüllt bekommen, das hätte aber sinnlose Arbeit gemacht (kann ich absolut nachvollziehen - bezahlt ja keiner!). Die meisten hätten auch von der Sache her nicht getaugt für die Jobs oder Arbeitsbedingungen, zu wenig Deutsch gesprochen und dann die Kopftücher! Sie unterstellte, dass ich das bestimmt nicht gut fände (die Art, wie es erwähnt wurde, fand ich schon nicht gut, aber ich hörte weiter zu).
Man müsse im Service (=kellner) Bereich diese "Dinger" eben abnehmen, wie man ja auch Bärte abbinden und langes Haupthaar zusammengebunden tragen müsse.
Ich merkte den Widerspruch an, dass Kopftücher ja eigentlich nur eine hygienische Steigerung des Konzepts "Haare sollen nicht stören" seien.
Doch dann wich sie aus darauf, dass mein Einwand für die KÜCHE gelte, nicht den "Service", wo halt alles Religiöse oder Politische nicht sichtbar sein dürfe - man dürfe ja auch keine Kreuzketten, Kopftücher oder politische Botschaften im Schuldienst tragen.
Jaja, die absolute "Funktionalisierung" des Menschen auf seine Rolle, seine Unsichtbarkeit in der Persönlichkeit abgesehen vom "gepflegten Äußeren".
Man würde doch nirgendwo eine Kellnerin oder Bedienung mit Kopftuch sehen... türkische Cafés schloss sie aus. (Nun ja, die sind aber nicht "nirgendwo") - und auf Messen arbeiten viele Studierende - ohne Ausbildung. Man habe auch Festangestellte. Eigentlich seien alle "fest", denn für "einmalig" wie mir das inserat im Internet suggeriert hatte, "wäre das zu viel Bürokratie". Leben von dieser Arbeit können viele nicht, die meisten würden das im Nebenberuf machen, sehr wenige seien Hartz IV betroffen, wie ich ggf. in der nächsten Zeit (wieder), aber für die, die das wollen, fülle man eben auch das (unstände bereitende) Arbeitgeberformular aus.
Ich fand das alles etwas widersprüchlich, die Dame entschuldigte sich aber auch, dass sie so im Stress bei der Planung sei, man hätte für das besagte Messeevent schon genug Ärger wegen des Coronavirus. Alle Schichten und Arbeitsplätze seien eh schon vergeben, man nähme Messen aber zum anlass, dass Leute sich bewerben würden, um längerfristig bei allen möglichen anderen Events zuverlässig dabei zu sein. Das würde auch von Studierenden gut angenommen (ich erinnere mich, dass etliche meiner Studienfreunde aus dem Ausland solche Jobs machten wann immer keine Prüfung anstand - ich selber arbeitete auch mal auf einer messe, dort durfte ich das aber dann als "Subunternehmerin" machen, als ich keine Studierende mehr war). Klar: Geld, was man DAZUverdient, "leuchtet".
Irgendwann erlöste ich die Dame, die mir trotz ihrer gezeigten Schutzmauer doch recht guten Einblick lieferte, und verabschiedete mich höflich.
Das Event, zu welchem noch kurz zuvor dringend weitere Aushilfskräfte gesucht worden waren, wurde dann auch später tatsächlich abgesagt wegen eben jenes Coronavirus - aber mein "Wesens-Virus", scheint noch nachhaltig abschreckender zu sein.
Das Risiko, ggf. nicht "kontrollierbar zu sein" durch offen gezeigten Eigenwillen und Eigeninteressen neben der Bereitschaft "mal etwas einfach mitzumachen und auch auszuführen", scheint eben ein Risiko zu sein.
Es grüßt das "Menschenwürderisiko", das sich wünscht weitaus ansteckender zu sein als jedes Virus und dabei die Lebensumstände und -qualität zu verbessern ;-)
doch wer mich scheut, kann natürlich nicht sagen, wie es denn gewesen wäre ;-)
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