Montag, 24. Februar 2020

Tagesjobvergabe vor dem Jobcenter Neukölln

Holla, ich habe vor, das endlich mal wieder zu testen! Nachdem mein erster Versuch als Tagelöhnerin anzuheuern vor Jahren ja leider vor verschlossener Tür endete (wegen Krankheit des Jobvermittlers)...

versuchte ich es heute, am 24. 02. 2020, erneut hier:


Ich kam um 4:25 an und das Wartezimmer war offen.


Ein anderer Wartender sagte mir (sonst hätte ich davon keine Kenntnis gehabt), ich möge meinen Ausweis in eine Schachtel an einem Schalter legen.
Punkt 4:30 ging das Schiebefenster zum Schalter auf, ein Mann nahm kommentarlos die Box mit den Ausweisen (heute waren es 3) und zog sich zurück. Dann kam er wieder mit meinem Ausweis in der Hand und rief mich durch das Schiebefenster. Er fragte nach meiner Sozialversicherungsnummer, KV-Nummer und Steuernummer sowie meinen Sicherheitsschuhen. Ich hatte Trekking-Halbstiefel an, die aber keine Stahlkappen enthielten. Er meinte, ich müsse selber Sicherheitsschuhe besorgen. Privat und nicht erstattet. Auf eigenes Risiko, auch falls ich keinen Tagelöhnerjob bekommen sollte. Das wären minimal 20 EUR im Baumarkt. Ebenso sei das für die Fahrtkosten (Berlin und Umland). Das Geld sei ja "von den 100 EUR Freibetrag absetzbar"... und "mehr als hundert Euro würde man ja an einem Tag nicht verdienen bei 9 EUR/Stunde"... (Anmerk.: ich sollte im Falle eines (heute für mich nicht mehr möglichen) absolvierten Tagesjobs ja auch die Sozialversicherung und KV vom Lohn zahlen).
Da ich derzeit im "Nachversicherungsschutz" bin, also nicht "pflichtversichert", hätte ich den Tagesjob heute eh nicht machen können. Wie man das geprüft hätte, wenn doch eigentlich eine Chipkarte vorgelegt werden soll (ich nutze die ja nicht, sondern verwende diese Versicherungsbestätigungen per Fax an die Ärzte)?
Der Jobvermittler erklärte, dass in keinem Fall der Versicherungsstatus "freiwillig versichert" ginge, auch dann nicht, wenn man über das Jobcenter versichert sei (das ja offiziell ein extrem starkes Interesse daran hat, Leute sozialversicherungspflichtig arbeiten zu lassen). Dann muss doch eigentlich für den einen Tag eine pflichtversicherung abgeschlossen werden über den Tagesjob-Vertrag??
Ich wies darauf hin, dass wirklich "freiwillig" niemand versichert sei, da seit geraumer Zeit alle, sogar Obdachlose ohne Einkommen, verpflichtet werden mit Folge hoher Zwangsverschuldung, in eine KV einzutreten.

Ein kleines Schmankerl war dann die Abschlussthematik, dass es "wohl schwer sei für mich einen Job zu finden", weil "es hier hauptsächlich um Jobs im Bau(neben)gewerbe ginge", die "eine Männerdomäne" seien... Nun, gerade dann braucht es wohl den Hinweis auf das Antidiskriminierungsgesetz... der Vermittler fragte mich, ob ich denn 50 kg Säcke tragen könne.
Ich erklärte, bereits 100 kg auf dem Rücken gehabt zu haben (Anm.: hab mal jemanden dieser Größenordnung huckepack genommen). Zudem müsse ein Arbeitgeber auf die Sicherheit und Gesundheit durch entsprechende Technik und vorgeschriebene Hebetechniken achten. Ich fragte, ob er das einen 60 kg schweren und 1,70m großen Mann auch fragen würde.
Er entgegnete ausweichend, es sei hauptsächlich Arbeit "im Transport" (von Materialien), wo halt viel "schwer gehoben" würde. Um zu testen, ob sowas auch körperlich ählich gebaute männliche Menschen gefragt werden, blieb an dieser Stelle offen.
Wenn hier in dieser Tagesjobvermittlung, wie ich von früheren Besuchen weiß, auch unter anderem Leute mit Rückschäden und Knieproblemen (regelmäßig(er)) nach Jobs fragen, ist zu erwarten, dass eine körperlich nicht vorgeschädigte Person sich einen Tag auch mal abrackern kann.**
Eine kurze Recherche zur zugelassenen Belastung von Männern und Frauen bei der Arbeit ergibt unter anderem:
[...]"Aus dem Risiko sind dann entsprechende Maßnahmen abzuleiten, um es zu senken. "Vorrang hat dabei immer die technische Maßnahme, bevor man anfängt die Aufgaben im Betrieb umzuorganisieren, also etwa einem Mann statt einer Frau an einer bestimmten Stelle einzusetzen", erklärt der Arbeitsmediziner. Wenn ein Risiko ermittelt sei, sollte es bestenfalls beseitigt werden. Festgelegt ist dies auch im Arbeitsschutzgesetz – und dessen Einhaltung wird in der Praxis auch kontrolliert" [...] Zitat aus https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/wie-schwer-darf-man-als-arbeitnehmer-heben-und-tragen/150/22776/387803

** wenn Arbeit so eingerichtet ist, dass sie in der Praxis ständig die Leute mit Fehlbelastungen und Überlastungen eindeckt, ohne welche "die Arbeit real nicht laufen würde", ist halt umzudenken. Dass oft "Dinge in Kauf genommen werden", die eigentlich nicht zumutbar sind, kann nicht die Regel sein oder gar Ausschlussgrund für Leute, die eben nur im Rahmen des Arbeitsschutzes sich belasten und tätig sein wollen. Wenn Arbeit im Rahmen von (zu starren) Vorgaben nicht funktioniert, kann auch genau darüber offen und im Lügenboykott berichtet werden, damit sichtbar wird, wie sich Vorgaben ggf. selber im Weg stehen oder welche Gesetze mit anderen strukturell einen Konflikt verursachen, bevor man überhaupt die Ebene einer konkreten Auseinandersetzung betrachten oder in einen Schuldermittlungsmodus bringen muss.

Zudem ist von mir zu hinterfragen, in wie weit körperliche Hebe- und Schwerstarbeiten wie in der Pflege (vorwiegend) Frauen tagtäglich kommentarlos zugemutet werden, die Freude, "auf dem Bau zu schaffen", regelmäßig oder als "bezahltes Gelegenheitsfitnesstraining", aber kategorisch undurchlässig für weibliche Bizepse und Rücken sein soll...
Immerhin war (nicht nur) ich schon häufig, privat/ehrenamtlich oder bei Aktionen ohne Vertrag und Lohn, umzugshelfend und (um)räumaktionen durchführend.

Nochmal zum oben gezeigten Flyer: Es soll Jobs aus dem "Bau- und Baunebengewerbe, Lager- und Transportwesen, Garten- und Landschaftsbau" geben. Das soll laut Auskunft der "Tagesjobvermittlung Neukölln" ungelernten Aushilfen tageweise möglich sein und klingt doch vielfältiger als ausschließlich und arbeitsschutz-grenzwertig (für alle Geschlechter): "ohne Hilfsmittel 50kg schwere Sachen tragen". Gerade wenn dort wenig Frauen von sich aus mitmachen, sollte man sich doch eigentlich freuen, wenn eine sich doch mal dahin begibt und gern anpacken möchte, anstatt ein Klima zu vermitteln, weil es "eine Männerdomäne" sei, eine Frau schon allein deswegen erstmal fernbleiben müsse...?
Eine Recherche zur Thematik führte mich auf diesen interessanten Artikel "zur Geschichte des Beschäftigungsverbots für Frauen im Bauhauptgewerbe, das seit geraumer Zeit nicht mehr existent ist:
http://www.buhev.de/2017/01/bauhandwerkerinnen_2.html


Nochmal zu: "Sicherheitsschuhe der Schutznorm S3 zwingend erforderlich"
- gern, wenn der Arbeitgeber sie stellt, denn "die Kosten für Arbeitsschutzschuhe liegen beim Arbeitgeber":
https://www.arbeitsbedarf24.de/blog/arbeitsschutz/arbeitsschutzschuhe/kosten-arbeitsschutzschuhe/ 
In wie weit dies in der Tagesjobvermittlung Anwendung findet? Die mir erteilten Auskünfte sprechen eindeutig dagegen! 

Übrigens: In einem früheren Gespräch mit einem anderen erfolglos vor verschlossener Tür wartenden Tagesjobsuchenden vor dem Jobcenter Berlin Neukölln hatte ich erfahren, dass die Tagesjobs nach ihrer Vergabe ab 4:30 zuweilen erst um 8 oder 9 Uhr starten würden. Der Vermittler heute sagte jedoch, dass die Jobs (meist) um 6 oder 7 beginnen würden - also nicht ganz so schrecklich lange Wartezeiten, in denen man schon wieder eindämmert...
letzteres habe ich aber gemacht, nachdem ich gegen 5:30 wieder zu Haus war... ohne schlechtes Gewissen nach dieser Initiativbewerbung und den Auskünften am Jobvergabetresen legte ich mich gemütlich bis halb 12 in mein Bett ;-P

Aber ich kann es ja, wenn ich mal wieder einen ganzen Tag keine Termine habe, und um 3:30 meinen Wecker höre, gern ab und an wieder testen... aus Einschätzung eines anderen Tages"jobbers" versucht man es ca. 2-3 Wochen täglich, bis man einmal dran ist zu arbeiten...

Mal sehen, ob die mannigfaltigen Vermittlungshindernisse, dass ich solch einen Tagesjob bekomme, ggf. einmal überwunden sind...

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