Dienstag, 30. April 2024

Zeitarbeitsfirma rückt Arbeitsvertrag erst heraus, wenn man ihn unterzeichnet hat

daher prämierte "die Jobtesterin" diese Firma mit einer Bewerbung, die dem Premiumstandard des "werbenden Zeitarbeitsunternehmens" entsprach. 

Hier die  - bisher unbeantwortete - Bewerbung "per Mail vom Handy" - aus dem Bus eines schönen Morgens:

Jobtest - zeitweise Zeitarbeit - probieren nach dem studieren

Sehr geehrter damen Herren

Haben sie ein Job für mich.
Teste alles mit und ohne quali.
Hab gehört sie schreiben oft was aus.kann grad nicht googlen was sie heute
im Angebot haben. Aber sachen mit Strom und Spannung finde ich spannend.
Gruß vom handy aus dem bus

Bei näherem Interesse elnfach anrufen oder mailen

Gruß die JobTesterin
[...]

 Als Jobtesterin erhielt ich einen "anonymen Hinweis" auf eine Zeitarbeitsfirma, die händerringend Personal sucht. Ein Bewerber, der es gewohnt ist, oft viele Fragen zu seinem Lebenslauf zu erhalten, wurde regelrecht "umgarnt" doch unbedingt sofort einen (fachliche Qualifikationen erfordernden) Job anzunehmen. Die Firma teilte ihm jedoch weder Einsatzorte noch genaue Beschreibungen der Tätigkeiten mit, sondern wollte, dass der Bewerber zunächst "die Katze im Sack kaufen" würde, sprich: den Arbeitsvertrag (der unter Geheimhaltung stehen sollte) unterschreiben. Mehr oder minder "blind" und v.a. ohne die rechtlich eingeräumte Möglichkeit zur Prüfung des zur Diskussion stehenden Arbeitsvertrages, sollte er mit dem Job starten - näheres eben erst erfahren, wenn er den Job angenommen hätte. 

"Das Kleingedruckte"/Hinweis von der Jobtesterin: wer so einen Vertrag (in welchem er auch kein Mitspracherecht hatte, sondern einfach nur zusagen oder ablehnen sollte) unterschreibt, kommt da "nur wieder heraus", wenn er wohlwollend "betriebsbedingt" von seinem Arbeitsgeber (der Zeitarbeitsfirma) entlassen wird. Ansonsten drohen zumindest der Theorie nach - häufig aber auch vollzogen in der Praxis - Sanktionen bei "Wiedereintritt in SGB-II" oder Leistungssperren im SGB-III ("Arbeitslosengeld"). 

Interessante Fragen an eine (Zeitarbeits)firma wurden immer mal wieder in verschiedenen Kontexten gesammelt. Z.B. könnte man fragen, wie hoch "die Auslösesumme" ist - also im Falle, dass man von der ausleihenden Firma oder einer "ausleihenden Firma" übernommen werden soll... wie man zur Arbeitsstelle kommt (die ja formal vertraglich der sitz der Zeitarbeitsfirma ist, in der Praxis aber die Örtlichkeiten der Ausleihenden Firma betrifft - wessen "Holschuld" oder "Bringpflicht" ist die "Sichere Passage" zur Arbeit? Was wäre Wegeunfall - was Arbeitsunfall, wenn man direkt von Daheim anreist)? Wie wird im Falle von (2023 und 2024 häufiger auftretenden) Bahnstreiks verfahren? Bekommt man jeweils täglich "Taxigeld" auf Firmenkosten - oder muss man aus eigener Tasche anrücken, wenn der übliche Zug/S-Bahn nicht fährt? Wer haftet für Zusatzkosten und (etwaiges) zu spät kommen? Welcher Einsatz muss auf eigene Kappe gezeigt werden (inkl. überlanger Wegzeiten oder privater Ausgaben), um den Arbeitsvertrag zu erfüllen? Wie sieht es überhaupt mit Versicherungen aus (Haftungsfragen und Vertragsstrafen)? Vorstellung einer "Nettolohngleichung", in welcher man vorrechnet, wieviel Geld man bräuchte, um seinen (derzeitigen) Lebensstandard zu halten - sich nicht gegenüber lebenssparsamkeitssituationen im "Leistungsbezug" zu vershclehtern, sobald man eine Arbeit aufnimmt (dazu gehören das einrechnen aller schlagartig erhöhten Grundkosten, etwa keine Tafelbesuche, keine GEZ-Befreiung, keine verbilligten Fahrkarten und Eintritte mehr, Zugriff von BAFÖG, Unterhaltsberechtigten, Schuldeneintreibenden auf Löhne, Notwendigkeit Zweitwohnsitz, Arbeitskleidung, Erreichbarkeit auf (modernen) Smartphones, Mobilität via KfZ inkl. aller Risiken und Steuern, um die man sich zuvor nicht geschert haben musste),... Zeitfragen - Kinderbetreuung und Abholung - Vereinbarkeit Familie-Beruf (auch in Hinblick auf Pflege), Vereinbarkeit mit bestehenden Jobs... Samstagsarbeit und andere Fragen auch in religiösen und weltanschaulichen Kontexten...

Umgang mit "Geheimhaltungsauflagen" - darf man gegen einen Arbeitsvertrag klagen oder ihn gerichtlich prüfen lassen - oder ist das "Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht"? Ist es überhaupt zulässig, einen Arbeitsvertrag nicht gerichtlich prüfen lassen zu können, um seinerseits der Geheimhaltungsauflage genüge zu tun? 

Umgang mit Interessenkonflikten - wenn man selber "Kunde" der Firma ist, bereits Regressansprüche zu laufen hat (z.B. bei "Amazon", der Bahn, Lieferdiensten...)

es gibt auch Fragenkataloge in Hinblick auf die Firmen-Vorgeschichte - etwa zuvorige Insolvenzanträge, oder Fragen zu Arbeitsabläufen und "erwarteter Selbstverbiegung/Lügen fürs Geschäft, damit Arbeit möglich ist/Risikenübernahme, die einen in die private Haftung nimmt: etwa Parktickets oder Blitzer, wenn man "zu Schnell" fährt, um Termine zu schaffen vs. sich stur an STVO halten, dabei aber real das Soll nicht erfüllen (können)! - Umgang mit Gesetzesverstößen durch Kollegen/Vorgesetzte. Wenn diese etwa copyrights umgehen, um an bestimmte Informationen oder Software zu gelangen, die sie für ihre Arbeit brauchen, tricksen für das Gesundheitsamt oder andere Kontrollbehörden...


Fazit: sooo händerringend suchten sie keine Beschäftigten oder "helfende Hände" qualifikationsunabhängig und mit egal was für einer Vorgeschichte... Offenbar ist ihnen schon wichtig, wer sich wie bewirbt. 

Auf so spannende Fragen, wie mit dem Arbeitsvertrag vor einer Unterzeichnung zu verfahren sei (ob man den z.B. mitnehmen kann als Angebot, über das man nachdenkt und sich ggf. mit arbeitsrechtlich versierten Menschen über den Inhalt austauscht oder ob das schon ggf. eine Gefährdung einer umfassenden "Geheimhaltungsklausel" darstellen würde), konnte im vorliegenden Bewerbungsprozess nicht eingegangen werden. Die Jobtesterin kann sich bei Zeiten (nach Löschung des Kontaktes) natürlich erneut dort vorstellen - und das ggf. in gepflegterem oder gehobenerem Tonfall ;-) 


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